Tierrecht: Haftung des Tierarztes nach Kastration eines Hengstes mit tödlichem Ausgang

Zusammenfassung:

Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein Tierarzt seine vertragliche Aufklärungspflicht verletzt, wenn er dem Eigentümer eines Hengstes vor einer beabsichtigten Kastration nicht umfassend über die zur Verfügung stehenden Kastrationsmethoden und deren unterschiedliche Risiken aufklärt. Zudem handele er behandlungsfehlerhaft, wenn er bei einer im Liegen durchgeführten Kastration keine durch Transfixation abgesicherte beidseitige Ligatur vornehme, so das OLG Hamm. (OLG Hamm, Entscheidungsdatum: 12.09.2016, Aktenzeichen: 3 U 28/16)

Sachverhalt

Im Herbst 2013 beauftragte die Klägerin den beklagten Tierarzt mit der Kastration ihres Hengstes „Apache“. Dieser entstammte der iberischen Rasse und war von der Klägerin wenige Wochen zuvor für 5.000 Euro in Spanien erworbenen worden. Bei dem im Oktober 2013 in Vollnarkose am liegenden Pferd durchgeführten Eingriff kam es zu Komplikationen, in deren Folge das Tier in die Tierklinik verlegt werden musste. Hier wurde es operativ versorgt. Nach aufgetretener Myopathie und einem Multiorganversagen konnte es nicht in den Stand verbracht werden und musste eingeschläfert werden. Die Klägerin hat den Beklagten hierfür verantwortlich gemacht und behauptet, der Beklagte habe sie über die Risiken des Eingriffs unzureichend aufgeklärt und den Eingriff selbst behandlungsfehlerhaft ausgeführt. Sie hat von ihm Schadensersatz verlangt, insbesondere Wertersatz in Höhe des aufgewandten Kaufpreises und die Erstattung der von für die Tierklinik aufgewandten Kosten von ca. 3.000 Euro.
Das Schadensersatzbegehren der Klägerin war weitgehend erfolgreich: Das LG Münster hatte der Klägerin ca. 8.000 Euro als Wertersatz für das Pferd und als Ersatz für die an die Tierklinik gezahlten Behandlungskosten zugesprochen sowie festgestellt, dass sie die Tierarztrechnung des Beklagten i.H.v. ca. 500 Euro nicht bezahlen muss.

Entscheidungsgründe:

Das OLG Hamm hat das erstinstanzliche Urteil des LG Münster bestätigt.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts haftet der Beklagte für eine fehlerhafte Erfüllung des tierärztlichen Behandlungsvertrages. Er habe die ihm der Klägerin gegenüber obliegende Aufklärungspflicht verletzt, weil er es versäumt habe, die Klägerin über die grundsätzlich zur Verfügung stehenden Kastrationsmethoden – Eingriff im Stehen oder im Liegen – und deren unterschiedliche Risiken, u.a. das bei der Rasse erhöhte Myopathierisiko, aufzuklären.
Außerdem habe die schließlich im Liegen durchgeführt Kastration nicht dem medizinischen Standard entsprochen. Die gebotene Ligatur habe der Beklagte nur an einer Seite und nicht beidseitig vorgenommen und sie zudem nicht durch eine Transfixation abgesichert. Damit habe er die Risiken einer Blutung oder Darmeinklemmung beim späteren Aufstehen des Pferdes nicht ausgeschlossen und das Abrutschen der Ligatur, das später in der Tierklinik festgestellt worden sei, nicht verhindert. Die dargestellten Fehler seien als grob fehlerhafte Behandlung zu werten. Sie seien geeignet gewesen, den späteren Tod des Pferdes herbeizuführen. Deswegen greife zugunsten der Klägerin eine Beweislastumkehr, so dass der fehlerhaften Behandlung des Beklagten auch der spätere Tod des Pferdes zuzurechnen sei.