Allgemein

Ärzte haften nicht für Lebenserhaltung durch künstliche Ernährung

Der Bundesgerichtshof hatte darüber zu entscheiden, ob Ärzte grundsätzlich nicht haften, wenn sie einen Patienten zum Beispiel durch künstliche Ernährung länger als medizinisch sinnvoll am Leben erhalten und damit sein Leiden verlängern. Hierzu hat er nun ein Grundsatzurteil gesprochen (Aktenzeichen: VI ZR 13/18; Entscheidung vom 02.04.2019)

Nach Auffassung des BFH steht dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes zu. Dabei könne dahinstehen, ob der Beklagte Pflichten verletzt habe. Denn jedenfalls fehle es an einem immateriellen Schaden. Hier stehe der durch die künstliche Ernährung ermöglichte Zustand des Weiterlebens mit krankheitsbedingten Leiden dem Zustand gegenüber, wie er bei Abbruch der künstlichen Ernährung eingetreten wäre, also dem Tod. Das menschliche Leben sei ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltungswürdig. Das Urteil über seinen Wert stehe keinem Dritten zu. Deshalb verbiete es sich, das Leben – auch ein leidensbehaftetes Weiterleben – als Schaden anzusehen (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Auch wenn ein Patient selbst sein Leben als lebensunwert erachten möge mit der Folge, dass eine lebenserhaltende Maßnahme gegen seinen Willen zu unterbleiben habe, verbiete die Verfassungsordnung aller staatlichen Gewalt einschließlich der Rechtsprechung ein solches Urteil über das Leben des betroffenen Patienten mit der Schlussfolgerung, dieses Leben sei ein Schaden. 

Dem Kläger stehe auch kein Anspruch auf Ersatz der durch das Weiterleben des Patienten bedingten Behandlungs- und Pflegeaufwendungen zu. Schutzzweck etwaiger Aufklärungs- und Behandlungspflichten im Zusammenhang mit lebenserhaltenden Maßnahmen sei es nicht, wirtschaftliche Belastungen, die mit dem Weiterleben und den dem Leben anhaftenden krankheitsbedingten Leiden verbunden seien, zu verhindern. Insbesondere dienten diese Pflichten nicht dazu, den Erben das Vermögen des Patienten möglichst ungeschmälert zu erhalten.

Zu lesen ist die Entscheidung hier: https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA190400792&wt_mc=pushservice&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp


Sky Deutschland darf sich in seinen Geschäftsbedingungen nicht das Recht einräumen, das vereinbarte Programmangebot beliebig zu ändern oder einzuschränken. Entsprechende Klauseln in den Abo-Bedingungen des Pay-TV-Anbieters sind unwirksam, entschied das Landgericht München I nach einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv).

Das Gericht hat damit einer Klage des vzbv teilweise Recht gegeben. Die Richter erklärten eine Klausel, nach der Sky zu Programmänderungen berechtigt ist, die aus lizenzrechtlichen oder technischen Gründen erforderlich sind, für zulässig und gaben der Klageabweisung damit statt.


Im Übrigen gaben die Richter der Klage statt. Sky hatte sich zum Beispiel in den Bedingungen vorbehalten, das Programmangebot beliebig zu ändern, solange dessen „Gesamtcharakter“ erhalten bleibt. Viele Kunden hatten das Sky Sport Paket vor allem wegen der Übertragung der Formel 1-Rennen abonniert. Damit hatte der Sender kräftig geworben. Doch in der Saison 2018 waren die Rennen nicht mehr bei Sky zu sehen. Die Übertragungsrechte waren dem Unternehmen zu teuer geworden. Kunden, die ihr Abo daraufhin kündigen wollten, ließ Sky mit dem Hinweis auf die strittige Klausel nicht aus dem Vertrag. Da immer noch Sport gezeigt werde, habe sich der Gesamtcharakter des Pakets nicht geändert.

Dies ist in der Form nicht hinnehmbar und benachteiligt den Verbraucher gegenüber dem Unternehmer in erheblichem Maße.

In einer weiteren Klausel erkannten die Abonnenten an, dass der Programminhalt von Sportkanälen und -paketen je nach Verfügbarkeit der jeweiligen Programrechte für Sky variieren könne. Auch dies ist nach Auffassung des Gerichts unzulässig. Das Unternehmen könne zwar ein berechtigtes Interesse an einer Änderung der Programmpakete haben, da es die Verfügbarkeit von Programmen und Lizenzen teilweise nicht beeinflussen könne. Die Klausel enthalte jedoch keinerlei Einschränkungen hinsichtlich des Umfangs der Änderungen. Ihr Wortlaut lasse es zu, den Programminhalt in unzumutbarer Weise zu reduzieren. Dies ging dem Gericht zu weit.
Das Urteil und die Stellungnahme des klagenden Verbandes finden Sie hier: https://www.vzbv.de/pressemitteilung/sky-darf-programmpakete-nicht-willkuerlich-aendern

  


Polizeigebühren für den Einsatz bei einem Fußballspiel grundsätzlich rechtmäßig.

Nach § 4 Abs. 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes wird von Veranstaltern einer gewinnorientierten Großveranstaltung unter bestimmten Umständen eine Gebühr erhoben. Vorausgesetzt werden erfahrungsgemäß zu erwartende Gewalthandlungen im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Veranstaltung, die den Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte vorhersehbar erforderlich machen. Die Gebühr ist anhand näherer Maßgaben nach dem polizeilichen Mehraufwand zu berechnen.

Als Gebührenschuldnerin wurde hier die Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL GmbH) in Anspruch genommen. Sie führt als Tochtergesellschaft das operative Geschäft des DFL e.V., in dem die lizenzierten Vereine und Kapitalgesellschaften der Bundesliga und der 2. Bundesliga zusammengeschlossen sind. Mit der Klage wendet sich die DFL GmbH gegen einen Gebührenbescheid der Freien Hansestadt Bremen über ca. 425 000 €. Die Forderung betrifft einen mit erheblichen zusätzlichen Kräften geleisteten Polizeieinsatz anlässlich einer Begegnung der Fußball-Bundesliga am 19. April 2015 im Bremer Weser-Stadion zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV. Die Klägerin war rund drei Wochen vor dem Spiel darauf hingewiesen worden, dass am Spieltag nach den polizeilichen Lageerkenntnissen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zu rechnen sei.

Die Beklagte durfte statt des Heimvereins Werder Bremen die DFL GmbH auf Zahlung der Gebühr in Anspruch nehmen. Aufgrund der Zusammenarbeit beider Akteure im Rahmen des Wettbewerbs Bundesliga ist die DFL GmbH als Mitveranstalter des betreffenden Fußballspiels anzusehen. Den internen Ausgleich durfte die Beklagte den Beteiligten überlassen.

Die Klage wurde zur weiteren Klärung an das Oberverwaltungsgericht zurückgegeben. Es ist nunmehr abzuwarten, ob andere Länder entsprechend nachziehen werden.
https://www.bverwg.de/pm/2019/26


Semmelverkauf an Sonn- und Feiertagen: Auch unbelegtes Brötchen ist „zubereitete Speise“

Wie man von der Überschrift Rückschließen kann, ist es kein alltägliches Urteil und auch nicht einfach verständlich. Wenn man sich die nachstehenden Gründe des OLG München einmal durchlesen mag, wird erkennen, wie interessant Recht sein kann.

Das OLG München hat entschieden, dass „zubereitete Speisen“ im Sinne des Gaststättengesetzes auch unbelegte Semmeln, Brezeln und trockenes Brot sein können. Aus diesem Grund kanneine Bäckerei, die in ihrer Filiale auch ein Café mit Sitzmöglichkeiten betreibt, an Sonn- und Feiertagen auch länger als drei Stunden belegte Brezeln und Semmeln verkaufen. (Aktenzeichen: 6 U 2188/18; Entscheidung vom: 14.02.2019)

Das LG München II hatte die Klage auf Unterlassung des Verkaufs von unbelegten Semmeln und Broten an Sonn- und Feiertagen über einen Zeitraum von mehr als drei Stunden abgewiesen, weil es davon ausging, dass die Verkäufe, die der Kläger der Beklagten zur Last legt, durch das Gaststättengesetz gedeckt seien. Danach, d.h. nach der Regelung in § 7 Abs. 2 Nr. 1 des Gaststättengesetzes, dürfe der Schank- oder Speisewirt auch außerhalb der Sperrzeit zum alsbaldigen Verzehr oder Verbrauch zubereitete Speisen, die er in seinem Betrieb verabreiche, an jedermann über die Straße abgeben. Einen Verstoß gegen das Ladenschlussgesetz verneinte das Landgericht.

Das OLG München hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und damit die Entscheidung des LG München II bestätigt.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts stehen dem Kläger keine Unterlassungsansprüche gegen die beklagte Bäckerei zu. Die streitgegenständlichen Verkäufe von unbelegten Brötchen und Broten begründeten keinen Verstoß gegen die Regelungen des Ladenschlussgesetzes (§§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 12 LadSchlG) und der Sonntagsverkaufsverordnung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SonntVerkV), weil sie nach dem Gaststättengesetz (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 GastG) erlaubt seien.

Der Verkauf von Backwaren durch die Beklagte an Sonn- und Feiertagen über einen Zeitraum von mehr als drei Stunden an den genannten Tagen sei zwar unstreitig. Diese Verkäufe seien jedoch durch die Ausnahmeregelung im Gaststättengesetz gedeckt und damit zulässig. Dies deshalb, weil die Beklagte in den jeweiligen Filialen ein Gaststättengewerbe betreibe, da in den Filialen Sitzgelegenheiten vorhanden seien, an denen die Kunden vor Ort Speisen und Getränke zu sich nehmen könnten. Es handle sich um sog. Mischbetriebe aus Ladengeschäft und Cafébetrieb. Dabei komme es auch nicht darauf an, welcher Teil überwiege. Ausreichend sei, dass die Bewirtungsangebote mit Sitzgelegenheiten in Bäckereibetrieben mit angeschlossenen Cafés auch tatsächlich genutzt würden.

Die weiteren Voraussetzungen für die Ausnahmeregelung des Gaststättengesetzes seien zu bejahen. Insbesondere könne sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass es sich bei den an der Verkaufstheke verkauften Backwaren nicht um „zubereitete Speisen“ im Sinne des Gaststättengesetzes handeln würde. Denn bei den von der Beklagten hergestellten Brote und Brötchen handele es sich um verzehrfertige Nahrungsmittel, deren Rohstoffe durch den Backvorgang zum Genuss verändert worden seien. Die Brote und Brötchen würden auch im jeweiligen Betrieb der Beklagten verabreicht. Es entspreche der Lebenserfahrung, dass die Gäste eines Cafés mit angeschlossener Bäckerei dort auch unbelegte Brötchen und/oder Brot und sonstige Backwaren bestellen können, etwa im Rahmen eines Frühstücks. Solange es sich bei dem Straßenverkauf nicht um größere Mengen handle, sei davon auszugehen, dass die verkaufte Ware auch zum alsbaldigen Verzehr bzw. Verbrauch bestimmt sei. Der Link zur Entscheidung ist hier: https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA190200337&wt_mc=pushservice&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp


Kamera auf das Nachbargrundstück = Verletzung des Persönlichkeitsrechts?

Das Amtsgericht München hatte zu entscheiden, ob die bloße Möglichkeit, von Überwachungskameras des Nachbarn erfasst zu werden, im konkreten Einzelfall noch zumutbar sein kann. (Aktenzeichen: 213 C 15498/18; Entscheidung vom: 22.November 2018)

Das AG München hat dem Beklagten Recht gegeben und die Klage des Nachbarn auf Beseitigung einer auf sein Grundstück ausgerichteten Überwachungskamera und Unterlassung der Anbringung anderer auf sein Grundstück ausgerichteter Kameras abgewiesen.

Nach Auffassung des Amtsgerichts ist aus dem vorgelegten Lichtbild, welches eine Nahaufnahme der betreffenden Kameras aus dem Dach des Wintergartens der Kläger heraus zeigt, gerade zu ersehen, dass die Linse der hinteren Kamera erkennbar von dem Grundstück der Kläger weg zeigt und die Linse der vorderen Kamera, ebenfalls deutlich erkennbar, an dem Wintergarten der Kläger vorbei auf das eigene Vordach des Beklagten zeigt und somit nicht auf den Garten und Winter-garten der Kläger ausgerichtet ist. Die Beamten konnten über das Smartphone des Beklagten Live-Bilder der installierten Kameras einsehen und dabei feststellen, dass die Positionen der Kameras im Zeitpunkt des Vollzuges des Durchsuchungsbeschlusses so eingestellt waren, dass nur der höchstpersönliche Lebensbereich des Beklagten gefilmt wurde.

Bei der Frage, ob allein ein sog. „Überwachungsdruck“ einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellen kann, müsse auf die Umstände des Einzelfalles abgestellt werden. Die Klagepartei selbst trage vor, der Beklagte müsse vom Fenster aus die unterhalb der Kamera liegende Dachfläche des dortigen Anbaus betreten und dann stehend die Kamera neu ausrichten, so dass eine entsprechende Veränderung den Klägern auch aufgrund ihrer äußerlichen Wahrnehmbarkeit nicht verborgen bliebe. Allein die Tatsache, dass die Parteien verschiedene Rechtsstreitigkeiten gegeneinander führten und bereits in der Vergangenheit geführt haben, reiche für sich genommen ebenfalls nicht aus, um einen entsprechenden Überwachungsdruck zu begründen. Der Beklagte habe ausgeführt, dass er sich vor weiteren Manipulationen durch Dritte schützen wolle. Hieraus könne keine konkrete Gefahr einer Überwachung auch des klägerischen Garten und Wintergartens hergeleitet werden.

Im Übrigen dürfe an dieser Stelle nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Kläger ihrerseits an der Vorderseite ihres Hauses Kameras installiert haben, welche jedenfalls auch unstreitig den öffentlichen Gehweg vor ihrem Haus filmten. In einem entsprechenden, noch rechtshängigen Parallelverfahren vor dem AG München nehmen die Kläger als Beklagte gegenüber dem Beklagten als Kläger für sich ohne nähere Begründung das Recht in Anspruch, ihr Grundstück – und aktuell auch Teile des öffentlichen Gehwegs vor ihrem Haus – mithilfe einer Überwachungskamera filmen und überwachen zu dürfen.

Der Link zur Entscheidung: https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA181103488&wt_mc=pushservice&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp


Vertragsstrafe wegen Baulücke: OLG Köln hat entschieden

Das OLG Köln hat entschieden, dass der Eigentümer im Streit um Kölns bekannteste Baulücke in der Richard-Wagner-Straße eine Vertragsstrafe von 710.000 Euro an die Stadt Köln bezahlen muss. (Urteil vom 30.November 2018, Aktenzeichen: 3 U 53/18)

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat es der Eigentümer selbst in der Hand, die weitere Verwirkung der Vertragsstrafe jederzeit zu beenden und dies aus nichtigen bzw. sachlich nicht nachvollziehbaren Gründen unterlassen. Die Vertragsstrafe sei wirksam, insbesondere nicht sittenwidrig und der Anspruch sei weder verwirkt noch verjährt. Der Eigentümer habe nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Stadt die Vertragsstrafe nicht mehr geltend machen werde. Vielmehr habe diese durch die vorangegangenen Verfahren deutlich gemacht, dass sie auf der Erfüllung der Bebauungsverpflichtung bestehen werde. Zwar sei der Betrag empfindlich hoch, das sei aber allein dem Umstand geschuldet, dass der Eigentümer auch gut zehn Jahre nach Übernahme der vertraglichen Bebauungsverpflichtung das Grundstück immer noch nicht bebaut habe. Dies beruhe auf seiner eigenen Entscheidung und könne der Stadt nicht zum Vorwurf gemacht werden. Der Eigentümer sei durch die beiden Vorprozesse ausreichend gewarnt gewesen.

Die Vertragsstrafe sei auch nicht zeitlich zu begrenzen oder in der Höhe herabzusetzen. Grundsätzlich sei denkbar, dass bei einer Vertragsstrafe eine zeitliche Grenze erreicht sein könne, jenseits derer sich das Verlangen nach einer Fortzahlung als treuwidrig erweise. Dies könne aber im vorliegenden Fall nicht angenommen werden, da der Eigentümer sehenden Auges die strafbewehrte vertragliche Pflicht zur Bebauung des Grundstücks übernommen habe und er es noch immer in der Hand habe, eine weitere Vertragsstrafe durch eigenes Verhalten zu vermeiden. Offenbar seien die bisher ausgeurteilten Vertragsstrafen nicht ausreichend gewesen, den Eigentümer zu einem vertragstreuen Verhalten anzuhalten. Angesichts der Plakate, die der Eigentümer auf dem Grundstück angebracht habe, sei von einem hartnäckigen Verweigerungsverhalten auszugehen, für das das Oberlandesgericht einen plausiblen, rational nachvollziehbaren Grund nicht zu erkennen vermochte.

Der Link mir Entscheidung:https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA181103493&wt_mc=pushservice&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp


Mahngebühren: ab wann dürfen Sie geltend gemacht werden und wie hoch dürfen sie denn sein?

Da ich immer wieder dazu befragt werde, möchte ich hier einmal die grundsätzlichen Voraussetzungen erklären.

Sie entstehen üblicherweise dann, wenn die Fälligkeit zwischen den Parteien vereinbart wurde. Üblicherweise steht ein Zahlungsziel in der Rechnung. Anders verhält es sich nach Gesetz. Soweit gesetzlich geregelt, erfolgt die Zahlung zu diesem Termin. Hierbei am bekanntesten ist wohl die Regelung im Miet- und Arbeitsrecht.
Soweit es vorgenannte Regelungen nicht gibt, ist das Zahlungsziel stets sofort!

Die Mahngebühren sind sog. Verzugsschaden. In Verzug gerät man automatisch mit Ablauf von 30 Tagen nach Fälligkeit. Man kann aber auch in Verzug gesetzt werden. Der Rechnungssteller muss ein Zahlungsziel setzen und in der Rechnung darauf hinweisen, dass eine Zahlung, die nicht innerhalb von 30 Tagen erfolgt, einen Verzugsschaden auslösen kann.

Erlaubt ist, was den tatsächlichen Schaden nicht übersteigt. Mahnkosten sind Verzugszinsen und die Mahngebühren, die die Kosten kompensieren, die für die Mahnung entstehen.

Hier liegt stets die Problematik. Man sollte stets gucken, welche Kosten in welcher Höhe geltend gemacht werden. Soweit der Grundbetrag unstreitig ist, ist dieser auszugleichen zzgl die Verzugszinsen. Die weiteren Kosten sollte man prüfen und sich im Zweifel sogar verklagen lassen. Eine Vielzahl der Regelungen sind unwirksam.


Verkehrsrecht: Neue Berechnungsmethode für den Unfall- und Haushaltsführungsschaden

Erstmals hat ein Oberlan­des­ge­richt das Schmer­zensgeld und den Anspruch aus einem Haushaltsführungs­schaden für Unfallopfer neu berechnet. Orien­tie­rungsmaßstab ist die Dauer der Behandlung des Unfallopfers. Bei der Haushaltsführung wird der gesetz­liche Mindestlohn zugrunde gelegt.

Man kann es schon als revolutionär bezeichnen, was das OLG Frankfurt gemacht hat um den Schadensersatz zu berechnen, den das Unfallopfer geltend gemacht hat.

Das Oberlan­des­ge­richt (OLG) Frankfurt am Main hat nun in einer Entscheidung vom 18. Oktober 2018 (AZ: 22 U 97/16) als erstes deutsches Oberlan­des­ge­richt das Schmer­zensgeld anhand einer neuen, tagge­nauen Methode berechnet. Außerdem berücksichtigt es beim Haushaltsführungs­schaden den moder­neren Zuschnitt der Haushalte und den gesetz­lichen Mindestlohn.

Den Inhalt des Falles und den Details finden Sie hier: https://anwaltauskunft.de/magazin/mobilitaet/auto/verkehrsunfall-neue-berechnungsmethode-für-schmerzensgeld-und-haushaltsführungsschaden?utm_source=facebook&utm_medium=cpc&utm_campaign=Facebook_Ads


BGH zum Thema Hausmusik

Der BGH hatte zu entscheiden, ob Nachbarn in einem Reihenhaus das Musizieren mit der Trompete in der Wohnung nebenan bis zu einem bestimmten Maß hinnehmen müssen. (Entscheidung vom 26.Oktober 2018, Aktenzeichen: V ZR 143/17)

Ja, sagt der BGH und führt dabei noch an, dass eine ausgewogene zeitliche Begrenzung gefunden werden muss, die als groben Richtwert, zwei bis drei Stunden an Wochentagen und ein bis zwei Stunden an Sonn- und Feiertagen beinhalten könne, so der BGH.

Das Landgericht habe bei einem richterlichen Ortstermin festgestellt, dass das Trompetenspiel des Beklagten im Dachgeschoss im Wohnzimmer der Kläger (Erdgeschoss) nicht und in deren Schlafzimmer (Dachgeschoss) nur leise zu hören sei, während das Trompetenspiel im Wohnzimmer (Erdgeschoss) im angrenzenden Wohnzimmer der Kläger als „schwache Zimmerlautstärke“ zu vernehmen sei. Im Ausgangspunkt stehe den Klägern als Nießbrauchern eines Hauses gegenüber dem Nachbarn, der sie durch Geräuschimmissionen stört, grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch zu. Der Abwehranspruch sei jedoch ausgeschlossen, wenn die mit dem Musizieren verbundenen Beeinträchtigungen nur unwesentlich seien. Das sei anzunehmen, wenn sie in dem Haus der Kläger nach dem Empfinden eines „verständigen Durchschnittsmenschen“ nicht als wesentliche Beeinträchtigung einzuordnen seien; die Grenze der im Einzelfall zumutbaren Lärmbelästigung könne nur auf Grund wertender Beurteilung festgesetzt werden. Insoweit habe das Landgericht einen zu strengen Maßstab zugrunde gelegt. Das häusliche Musizieren einschließlich des dazugehörigen Übens gehöre zu den sozialadäquaten und üblichen Formen der Freizeitbeschäftigung und sei aus der maßgeblichen Sicht eines „verständigen Durchschnittsmenschen“ in gewissen Grenzen hinzunehmen, weil es einen wesentlichen Teil des Lebensinhaltes bilden und von erheblicher Bedeutung für die Lebensfreude und das Gefühlsleben sein könne; es gehöre – wie viele andere übliche Freizeitbeschäftigungen – zu der grundrechtlich geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit. Andererseits solle auch dem Nachbarn die eigene Wohnung die Möglichkeit zur Entspannung und Erholung und zu häuslicher Arbeit eröffnen, mithin auch die dazu jeweils notwendige, von Umweltgeräuschen möglichst ungestörte Ruhe bieten. Ein Ausgleich der widerstreitenden nachbarlichen Interessen könne im Ergebnis nur durch eine ausgewogene zeitliche Begrenzung des Musizierens herbeigeführt werden. Dabei habe ein Berufsmusiker, der sein Instrument im häuslichen Bereich spiele, nicht mehr, aber auch nicht weniger Rechte als ein Hobbymusiker und umgekehrt. Wie die zeitliche Regelung im Einzelnen auszusehen habe, richte sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere dem Ausmaß der Geräuscheinwirkung, der Art des Musizierens und den örtlichen Gegebenheiten; eine Beschränkung auf zwei bis drei Stunden an Werktagen und ein bis zwei Stunden an Sonn- und Feiertagen, jeweils unter Einhaltung der üblichen Ruhezeiten in der Mittags- und Nachtzeit, könne als grober Richtwert dienen. Die örtlichen Gegebenheiten seien ebenfalls von Bedeutung. Könnten die Geräuscheinwirkungen erheblich verringert werden, indem in geeigneten Nebenräumen musiziert werde, könne es aufgrund nachbarlicher Rücksichtnahme geboten sein, das Musizieren in den Hauptwohnräumen zeitlich stärker einzuschränken; das gelte insbesondere dann, wenn auf Seiten des Nachbarn besondere Umstände wie eine ernsthafte Erkrankung eine gesteigerte Rücksichtnahme erforderten. Das Musizieren in den Hauptwohnräumen des Hauses könne aber nicht gänzlich untersagt werden. Auch die zeitlich begrenzte Erteilung von Musikunterricht könne je nach Ausmaß der Störung noch als sozialadäquat anzusehen sein. Die Festlegung der einzuhaltenden Ruhezeiten müsse sich an den üblichen Ruhezeiten orientieren; im Einzelnen hätten die Gerichte einen gewissen Gestaltungsspielraum. Ein nahezu vollständiger Ausschluss für die Abendstunden und das Wochenende, wie ihn das Berufungsgericht vorgesehen habe, komme jedoch nicht in Betracht. Dies ließe nämlich außer Acht, dass Berufstätige, aber auch Schüler häufig gerade abends und am Wochenende Zeit für das Musizieren fänden.
Nach alledem werde hier das Trompetenspiel im Dachgeschoss, das nach den Feststellungen des Landgerichts ausschließlich im Schlafzimmer der Kläger leise zu vernehmen sei, zur Mittags- und Nachtzeit als wesentlich, zu den übrigen Zeiten aber jedenfalls für etwa drei Stunden werktäglich (und eine entsprechend geringere Zeitspanne an Sonn- und Feiertagen) als unwesentlich anzusehen sein. Dann stünden dem Beklagten zu 1 im Dachgeschoss relativ großzügige Zeiträume zur Verfügung; infolgedessen könnte das Trompetenspiel in den Haupträumen engeren zeitlichen Grenzen unterworfen werden. Jedenfalls insgesamt sollte das tägliche Musizieren in dem Haus etwa drei Stunden werktags (und eine entsprechend geringere Zeitspanne an Sonn- und Feiertagen) nicht überschreiten. Entstünden durch den Musikunterricht lautere oder lästigere Einwirkungen und damit eine stärkere Beeinträchtigung der Kläger, müsse dieser ggf. auf wenige Stunden wöchentlich beschränkt werden; sofern sich das Dachgeschoss zu der Unterrichtserteilung eigne, könnte das Landgericht vorgeben, dass der Unterricht nur dort stattfinden dürfe. Die Sache sei hinsichtlich der Berufung des Beklagten zu 1 an das Landgericht zurückzuverweisen gewesen, damit es Feststellungen dazu treffe, welche Störungen durch den Musikunterricht entstünden, und damit es die Zeiten, zu denen musiziert werden dürfe, abschließend festlegen könne.

Die Entscheidung ist nicht nur für Musikfreunde interessant, sondern kann auch als Auslegung für anderen „Lärm“ herangezogen werden.

Den Link finden Sie hier: https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA181003200&wt_mc=pushservice&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp


Ein neues Urteil zum Thema Stadionverbot

Nachstehend möchte ich über ein noch nicht rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Frankfurt berichten.

Das erkennende Gericht hat entschieden, dass ein Stadionsverbot unwirksam sein kann, wenn keine hinreichende Tatsachengrundlage besteht, welche die Besorgnis künftiger Störungen erwarten lässt. (Aktenzeichen: 30 C 3466/17 (71), Datum: 09.08.2018).

Im konkreten Fall war der Kläger gemeinsam mit anderen Fans von der Polizei festgehalten und über Nacht in Gewahrsam genommen worden. Am 06.11.2016 fand das Fußballspiel von Hannover 96 gegen Eintracht Braunschweig (sog. Niedersachsenderby) statt und dem Kläger wurde ein Platzverweis für den Bereich der Stadt Braunschweig bis Sonntagabend 06.11.2016 erteilt. Ein Ermittlungsverfahren wurde nicht eingeleitet. Der Kläger ist vor dem Vorfall nicht polizeilich in Erscheinung getreten. Bei dem Kläger und in dessen Fahrzeug wurden keine gefährlichen Gegenstände gefunden. Bei anderen Fahrzeugen, welche ebenfalls am 04.11.2016 kontrolliert wurden, fand die Polizei Vermummungsmaterial und Schlaggegenstände. Die Zentrale Informationsstelle der Polizei empfahl dem Beklagten im Dezember 2016, gegen den Kläger und insgesamt 177 Personen, die am 04.11.2016 kontrolliert wurden, ein Stadionsverbot auszusprechen. Nachdem der Kläger dazu angehört wurde, erteilte der Beklagte dem Kläger ein bundesweites Stadionsverbot mit Schreiben vom 26.09.2017, welches bis zum 26.03.2019 befristet wurde.

Das Amtsgericht entschied, dass der Kläger einen Anspruch auf Aufhebung des Stadionsverbots hat.

Nach Auffassung des Amtsgerichts entbehrt das Stadionverbot einer sachlichen Grundlage. Zwar stehe es dem Beklagten grundsätzlich frei, über den Zutritt Dritter zu Stadien zu entscheiden. Der Ausschluss eines Einzelnen dürfe jedoch nicht ohne sachlichen Grund und nicht willkürlich erfolgen. Die Besorgnis einer künftigen Störung durch einen Fußballfan sei nicht davon abhängig, dass tatsächlich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet würde. Es bedürfe auch nicht des Nachweises vorheriger Straftaten oder rechtswidrigen Handelns. Der Beklagte müsse aber eine eigene Tatsachengrundlage ermitteln und dürfe sich nicht auf subjektive Einschätzungen der Polizei verlassen. Allein der Platzverweis gegen den Kläger reiche im konkreten Falle nicht aus, denn neben diesem und der Ingewahrsamnahme lägen keinerlei Tatsachen hinreichende Art vor, welche die Besorgnis künftiger Störungen durch den Kläger rechtfertigten.

Selbst wenn in einzelnen Fahrzeugen bei einer Kontrolle gefährliche Gegenstände gefunden würden, könnten diese nicht ohne weiteren Erkenntnisse 177 Personen zugerechnet werden. Der Kläger sei weder polizeibekannt noch für Störungen in Stadien in der Vergangenheit auffällig gewesen, so dass der Beklagte hier ein Pauschalurteil gefällt habe, ohne dass eine hinreichende Tatsachengrundlage für den Ausspruch eines Stadionsverbot bestanden hätte.

Das Urteil finden Sie hier: https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA180902941&wt_mc=pushservice&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp