Sozialrecht

Sperrfristen bei Nichtbewerbung

Das BSG hat entschieden, dass ein Arbeitsloser, dem innerhalb weniger Tage drei Arbeitsangebote unterbreitet werden, auf die er sich nicht bewirbt, nur mit einer einzigen Sperrzeit sanktioniert werden darf.

Der in Radeburg/Sachsen lebende Kläger, der zuletzt eine Tätigkeit als Beikoch ausgeübt hatte, erhielt von der beklagten Bundesagentur für Arbeit am 29.11.2011 zwei Vermittlungsvorschläge als Beikoch in einem Hotel im Schwarzwald und als Koch in einem Gasthaus in Sonthofen/Bayern. Ein weiteres Stellenangebot als Beikoch in einem Klinikum in Meißen-Radebeul übersandte die Beklagte am 30.11.2011 per Post. Am 16.01.2012 teilte der Kläger mit, sich auf keine der Stellen beworben zu haben. Mit drei Bescheiden stellte die Beklagte den Eintritt einer dreiwöchigen, einer sechswöchigen und einer zwölfwöchigen Sperrzeit fest.

Das BSG hat entschieden, dass bei der Nichtbewerbung auf die drei kurz hintereinander unterbreiteten Arbeitsangebote nur eine Sperrzeit gerechtfertigt war.

Nach Auffassung des BSG ist bei mehreren Beschäftigungsangeboten, die in einem so engen zeitlichen Zusammenhang unterbreitet werden, dass sie der arbeitslosen Person gleichzeitig vorliegen, von einem einheitlich zu betrachtenden Lebenssachverhalt auszugehen. Bewerbe sich der Arbeitslose in einer solchen Situation nicht, müsse dies als einheitliches versicherungswidriges Verhalten gewertet werden. Ein einziges versicherungswidriges Verhalten dürfe jedoch nicht mehrfach sanktioniert werden.

Das Urteil finden Sie unter dem nachstehenden Link: https://www.juris.de/jportal/portal/t/ejg


Weg vom Arzt zur Arbeitsstätte = Wegeunfall?

Nein, sagt das Sozialgericht Dortmund und das zu Recht. (Aktenzeichen: S 36 U 131/17, Entscheidung vom 28.Febraur 2018)

 

Nach Auffassung des Sozialgerichts ist der Kläger nicht auf einem mit seiner versicherten Tätigkeit in Zusammenhang stehenden Betriebsweg verunglückt. Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit wie vorliegend der Arztbesuch seien dem persönlichen Lebensbereich des Versicherten zuzurechnen und daher unversichert. Dabei sei es unerheblich, dass der Arztbesuch auch der Erhaltung oder Wiederherstellung seiner Arbeitskraft und damit betrieblichen Belangen diene. Der Kläger habe nicht davon ausgehen können, mit dem Arztbesuch eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis zu erfüllen.

Schließlich liege kein Wegeunfall vor, weil der Kläger sich zum Zeitpunkt des Unfalls nicht auf einem versicherten Weg von einem sog. dritten Ort zu seiner Arbeitsstätte befunden habe. Hierfür habe sich der Kläger mindestens zwei Stunden in der Arztpraxis aufhalten müssen, was jedoch nicht der Fall gewesen sei.

Die Entscheidung kann hier nachgelesen werden: https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA180300825&wt_mc=pushservice&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp


Kinderschrei ins Ohr = Arbeitsunfall

Das Sozialgericht Dortmund hat entschieden, dass eine Erzieherin, die Ohrgeräusche auf Schreie eines Kindes zurückführt, keine Entschädigungsleistungen von der gesetzlichen Unfallversicherung erhält und die Klage abgewiesen (zu Recht) (Entscheidung vom 22.Januar 2018, Aktenzeichen S 17 U 1041/16)

Nach Auffassung des Sozialgerichts kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin aufgrund des „Schrei-Ereignisses“ einen Tinnitusmasker benötigt. In der medizinischen Wissenschaft sei anerkannt, dass es selbst bei durch menschliche Schreie erreichbaren Spitzenschallpegeln von mehr als 130 dB allein zu Mini-Lärmtraumata kommen könne, die mit vorübergehenden bzw. ganz geringen Hörminderungen einhergingen. Bleibende Hörschäden seien demnach bei vorübergehenden Vertäubungen nicht zu erwarten, erst recht nicht ein Tinnitus.

Der Link zur Entscheidung: https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA180200421&wt_mc=pushservice&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp


Anerkennung eines Arbeitsunfalles bei Schlägen durch Kollegen auf dem Heimweg

Wie das vorgenannte Verfahren, geht es auch um eine körperliche Auseinandersetzung unter Arbeitnehmern.

Das LSG Stuttgart hat entschieden, dass ein Arbeitsunfall vorliegen kann, wenn ein Arbeitnehmer auf dem Heimweg von der Arbeit mit Kollegen über betriebliche Vorgänge in Streit gerät und zusammengeschlagen wird. (Entscheidung vom: 22.11.2017, Aktenzeichen: L 1 U 1277/17)

Sachverhalt:
Im September 2014 fuhr der Kläger nach dem Einsatz auf einer Baustelle den Firmentransporter der Arbeitgeberin zurück nach Göppingen. Im Wagen saßen mehrere Kollegen, die nach dem Arbeitstag auf der Baustelle verschwitzt waren und es kam zum Streit, ob man wegen der „schlechten Luft“ die Fenster öffnen oder besser die Zugluft vermeiden solle. Im Verlauf dieses Streites, in dem auch beleidigende Worte fielen, wurde das Fenster durch einen Kollegen mehrmals geöffnet und wieder geschlossen. Als dieser Kollege schließlich vom Kläger abgesetzt wurde, eskalierte die Situation, als der Kollege die Beifahrertüren öffnete und der Kläger ausstieg, um diese wieder zu schließen. Der Kollege griff dann den Kläger an und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht, wodurch dieser zu Boden ging. Dann versetzte er dem am Boden liegenden Kläger noch mit dem mit einer Stahlkappe bewehrten Schuh einen Tritt in den Kopfbereich. Hierdurch erlitt der Kläger eine Schädelprellung sowie Hautabschürfungen am Außenknöchel und Daumen rechts. Der Täter wurde später vom AG Göppingen wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Berufsgenossenschaft hörte die Arbeitnehmer mit dem von ihr für solche Fälle entwickelten „Fragebogen Streit“ an, lehnte anschließend gegenüber dem Kläger die Anerkennung eines Arbeitsunfalles ab und stellte sich auf den Standpunkt, der Streit sei nicht aus betrieblichen Gründen, sondern aus persönlichen bzw. kulturellen Differenzen eskaliert, da der Täter aus der Türkei, der Kläger aus dem Kosovo stammt.

Entscheidung:
Das LSG Stuttgart hat dem Kläger Recht gegeben und die Berufsgenossenschaft verpflichtet, das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Nach Auffassung des Landessozialgerichts steht auch der (direkte) Nachhauseweg von der Arbeitsstätte zur Wohnung unter dem Schutz der gesetzlichen Wegeunfallversicherung. Dieser Versicherungsschutz aus der Wegeunfallversicherung sei nicht unterbrochen worden. Das versicherte Zurücklegen des Weges zur Arbeitsstätte sei die maßgebliche Ursache für die Einwirkungen durch den Täter gewesen, der den Kläger durch seine Intervention habe daran hindern wollen, die Fahrzeugtüren zu schließen, um dann unverzüglich die Fahrt nach Hause fortzusetzen. Die Ursachen des Streits seien nicht im privaten Bereich begründet gewesen, sondern in der versicherten Tätigkeit des Klägers als Fahrer: Der Kläger und der Kollege hätten zuvor darüber gestritten, ob das Fenster wegen unangenehmer Gerüche durch die verschwitzte Arbeitskleidung geöffnet oder wegen der Erkältungsgefahr durch Zugluft geschlossen gehalten werden sollte und wer dies zu bestimmen habe. Außerdem sei der Täter aufgebracht darüber gewesen, dass zunächst ein dritter Kollege und nicht er vom Kläger nach Hause gebracht worden sei. In der Straftat habe der unmittelbar vorangegangene Streit über Themen mit konkretem Bezug zur versicherten Tätigkeit nachgewirkt. Zwar habe der Kläger zum Unfallzeitpunkt sein Fahrzeug angehalten und sei aus dem Fahrzeug ausgestiegen, aber nur deshalb, um die vom Täter zuvor geöffneten Türen zu schließen, ohne dass er dafür den öffentlichen Verkehrsraum habe verlassen müssen. Es habe sich um eine Verrichtung gehandelt, die notwendig gewesen sei, damit der restliche Weg habe zurückgelegt werden können, also nicht um eine privatwirtschaftliche Tätigkeit. Der Kläger habe nur seinen Heimweg fortsetzen und zu diesem Zweck die Verkehrssicherheit des Fahrzeuges wiederherstellen wollen, indem er versucht habe, auch die letzte Fahrzeugtür auf der Beifahrerseite zu schließen, woran der Täter ihn zu hindern versucht habe, was schließlich in die von diesem begangene Körperverletzung gemündet sei.

Nachzulesen ist der Fall hier:https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA171205953&wt_mc=pushservice&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp


Ist es ein Arbeitsunfall, wenn man sich während einer Schläger am Arbeitsplatz verletzt?

Ein etwas kurioser Fall, den ich nicht unerwähnt sein lassen möchte.

Das LSG Stuttgart hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der Kollegen tätlich angreift und sich dabei selbst verletzt, nicht den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung für sich beanspruchen kann. (Aktenzeichen: L 1 U 1504/17, Entscheidung vom: 22.November 2017)

Sachverhalt:
Im November 2015 kam es am Arbeitsplatz, ein Warenlager eines mittelständischen Betriebes, zu einer hitzigen Diskussion über die Arbeitsabläufe zwischen dem Kläger und einem Kollegen. Etwa eine halbe Stunde später eskalierte die Situation erneut. Es kam zu wechselseitigen Beschimpfungen und provozierenden Gesten. Der Kläger verließ seinen Arbeitsplatz, rannte mit gesenktem Kopf auf den Kollegen zu und stieß diesem absichtlich seinen Kopf mit großer Wucht in den Rumpf, worauf beide zu Boden gingen. Der Angreifer zog sich bei dem Kopfstoß und anschließendem Sturz einen Halswirbelbruch zu; der Kollege eine Rippenprellung.

Entscheidung:
Nach Auffassung des Landessozialgerichts lassen sich die Verletzungen nach ärztlicher Einschätzung nur durch den mit Wucht ausgeführten Kopfstoß erklären, weshalb der Vortrag des Klägers nicht glaubhaft ist. Indem der Kläger seinen Arbeitsplatz verlassen habe, um den Angriff auf den Kollegen auszuführen, habe er den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung verlassen. Zwar könne die Klärung eines Disputes bzw. das Austragen eines über betriebliche Pflichten und betriebliches Verhalten bestehenden Konfliktes durchaus auch im betrieblichen Interesse liegen. Hier sei es dem Kläger aber gar nicht mehr wesentlich um die Klärung des ca. 30 Minuten zurückliegenden Konfliktes um die Arbeitsabläufe gegangen, sondern nur noch darum, dem Kollegen den Kopf in den Bauch zu rammen, um ihn so umzuwerfen. Ein solches Verhalten könne selbst dann, wenn im Warenlager ein „rauer Ton“ geherrscht habe und wechselseitige Beleidigungen zwischen dem Kläger und dem Kollegen immer wieder vorgekommen seien, nicht mehr als betriebsdienlich angesehen werden. Eine körperliche Attacke vermöge das kollegiale Verhältnis so zu stören, dass eine künftige Zusammenarbeit nicht mehr möglich sei, außerdem sei mögliche Folge solchen Handelns eine Arbeitsunfähigkeit des Opfers, die ebenfalls in keinster Weise im betrieblichen Interesse liege.

Nachzulesen ist es hier: https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA171205952&wt_mc=pushservice&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp


Anspruch auf einen Blindenhund

Das LSG Celle-Bremen hat entschieden, dass ein Blinder von seiner Krankenkasse mit einem Blindenhund und nicht nur mit einem Blindenlangstock zu versorgen ist, wenn die Orientierung durch Schwerhörigkeit zusätzlich beeinträchtigt wird.

 

Das gesamte Urteil lesen Sie hier: https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA170905211&wt_mc=pushservice&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp


Erhöhung des Arbeitslosengeldes II bei Hundehaltung möglich?

Zusammenfassung:

Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass Beiträge, die für eine gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung eines Hundes gezahlt werden, vom Halter nicht vom Einkommen abgesetzt werden können, um so höheres ergänzendes steuerfinanziertes Arbeitslosengeld II zu erhalten. (BSG, Urteil vom 08.Februar 2017, Aktenzeichen: B 14 AS 10/16 R).

 

Das gesamte Urteil lesen Sie bitte hier: https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml;jsessionid=6D6E2444A1F5CBF50FA0245D8D7B1EC2.jp23?nid=jnachr-JUNA170203178&wt_mc=pushservice&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp