Neues zum Mietrecht: Eigenbedarfskündigung kann an existentiellen gesundheitlichen Gefahren des Mieters scheitern

Das AG München hatte darüber zu entscheiden, ob eine Kündigung wegen Eigenbedarfs dann unwirksam ist, wenn sich der Gesundheitszustand des Mieters durch den Umzug erheblich verschlechtern würde. (Urteil vom 28.09.2017 (Berufung wurde zurückgenommen), Aktenzeichen: 433 C 10588/17)

Das AG München hat im Ergebnis der Beklagten Recht gegeben und die Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung abgewiesen.

Nach Auffassung des Amtsgerichts hat die Zeugin glaubhaft angegeben, dass ihre Eltern die Wohnung gekauft hatten, um ihr einen guten Start in das Studium zu ermöglichen. Die Tatsache, dass die Zeugin die streitgegenständliche Wohnung nicht selbst angesehen habe, erstaune zwar, sei aber für das Amtsgericht nach der Erklärung der Zeugin, dass sich keine Gelegenheit dazu ergab und dass ihr Vertrauen in ihre Eltern so hoch sei, dass sie auf jeden Fall in eine von ihnen für sie ausgewählte Wohnung ziehen würde, zumindest nachvollziehbar. Nach diesseitigem Verständnis ist es nicht erforderlich eine Wohnung selbst in Augenschein zu nehmen, die von den Eltern erworben wurde, um darin wohnen zu wollen.

Trotz der wirksamen Eigenbedarfskündigung sei das Mietverhältnis jedoch aufgrund des Antrags der Beklagten gemäß §§ 574 Abs. 1, 574a Abs. 1, 2 BGB auf unbestimmte Zeit fortzusetzen. Die Beendigung des Mietverhältnisses bedeutet nach Ansicht des Amtsgerichts für die Beklagte eine unzumutbare Härte, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Kläger nicht zu rechtfertigen sei. Die Beklagte sei räumungsunfähig. Eine Räumungsunfähigkeit liege vor, wenn der Mieter auf Grund seines körperlichen oder geistigen Zustands nicht in der Lage sei, eine Ersatzwohnung zu finden und dorthin umzuziehen oder wenn der Gesundheitszustand oder die allgemeine Lebenssituation des Mieters durch den Umzug erheblich verschlechtert würden, wobei bereits die ernsthafte Gefahr einer erheblichen gesundheitlichen Verschlechterung die Annahme einer unzumutbaren Härte rechtfertigen könne. Dass die seit Jahren bestehenden psychischen Krankheiten der Beklagten während der Zeit, in der sie zur Verhinderung eines Suizids in eine Klinik eingewiesen sei, geheilt werden könnten, hält das Amtsgericht für ausgeschlossen, nachdem in den letzten neun Jahren trotz diverser Therapien stabile Phasen nur in äußerst überschaubaren Zeiträumen eingetreten seien, wie der Zeuge geschildert habe und nachdem der Zeuge die Erfolgsaussichten einer einjährigen verhaltenstherapeutischen Behandlung prognostisch eher zurückhaltend eingestuft habe. Der aus Sicht des Amtsgerichts entscheidende Unterschied zwischen der Tochter der Kläger und der Beklagten sei, dass die 21-jährige Tochter der Kläger keine psychischen Krankheiten habe und sie gerade am Anfang ihres Studienlebens stehe, das für gesunde Menschen vielfältige Möglichkeiten biete. Das Interesse der Kläger an der Erlangung der Wohnung müsse daher gegenüber dem Interesse der Beklagten am Erhalt der Wohnung, der maßgeblich dafür sei, dass sich ihre Gesundheit nicht wegen eines Umzuges weiter verschlechtert, zurücktreten.

Das Urteil ist nach Rücknahme der Berufung seit 18.12.2018 rechtskräftig. Der vom Berufungsgericht beauftragte (weitere) psychiatrische Sachverständige hatte die erstinstanzliche Einschätzung des behandelnden Kollegen bestätigt.
Hier wäre ein höchstrichterliche Klärung wünschenswert gewesen, um feststellen und ggf. konkretisieren zu lassen, wann die Kriterien für eine Räumungsunfähigkeit vorliegt. Aktuell muss man nunmehr davon ausgehen, dass mitunter eine berechtigte Kündigung nicht durchgreift.

Den Link zur Entscheidung finden Sie hier: https://www.juris.de/jportal/portal/page/homerl.psml?nid=jnachr-JUNA190200290&wt_mc=pushservice&cmsuri=%2Fjuris%2Fde%2Fnachrichten%2Fzeigenachricht.jsp